Ein Ort mit Herz und Seele
Hemmendorf feiert mit Landesbischof Ralf Meister das 850-jährige Bestehen der St.-Vitus-Kirche
Hemmendorf. Eigentlich braucht es zum Christsein keinen speziellen Ort. So brachte es der evangelische Landesbischof Ralf Meister während der Pfingstpredigt in der St. Vitus Kirche in Hemmendorf auf den Punkt: "Und nun sitzen und stehen wir hier an einem kleinen Ort, eine besondere Stelle für viele von Ihnen, an der Sie Herz und Seele einbringen", fuhr Meister fort. Und der besteht seit 850 Jahren: Man sehe den Wandel seit der damaligen Holzkirche, der St.-Vitus-Kapelle, die durch Benediktinermönche erbaut wurde, und man sehe die Geschichte der Menschen, die hier saßen.
Die St. Vitus Kirche war gut gefüllt mit rund 200 Besucherinnen und Besuchern, die der Predigt und der abwechslungsreichen Musik lauschten. Zum Jubiläumsgottesdienst spielten nicht nur Jan Meyer an der Orgel und Theresa Pendorf am Saxophon, sondern es sangen auch zwei Chöre unter der Leitung von Helga Vogt: der St. Vitus-Chor und der St. Margarethenchor mit Henning Renner. Der Posaunenchor Saaletal unter der Leitung von Hartmut Kassel spielte auf der Empore.
Die St. Vitus Kirche ist zu Pfingsten immer ein besonderer Ort der Begegnung, denn es wird seit über zwanzig Jahren ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert: neben Pastorin Sabine Ahlbrecht stand auch Pfarrer Dr. Christian Wirz aus Gronau beim Altar. "Von außen war sie mir bekannt, von innen aber noch nicht", antwortete Landesbischof Ralf Meister auf die Frage, warum er zu Pfingsten nach Hemmendorf kam. Gerade auch in die kleinen Gemeinden reise er sehr gerne, sagte er. Er wohne im Süden von Hannover und sei bei Radtouren schon öfters durch Hemmendorf gefahren, kenne daher die Kirche mit dem großen Wehrturm.
Gut gefüllt war nach dem Festgottesdienst auch das Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde: Einige der Grußworte kamen von ehemaligen Pastoren wie Henning Schüttlöffel oder Vigo Mau, die ihre ersten Stellen in Hemmendorf hatten. Sie erinnerten sich dankbar an ihre ersten Schritte als Pastoren und vor allem an die Menschen ihrer Gemeinde, die sie dabei tatkräftig unterstützt hätten.
Die Geschwister Klaus Steinmetz und Heidi Kramm erzählten aus ihrer Kindheit in Hemmendorf: Ihr Vater, der damalige Superintendent Steinmetz, hatte mit seiner Familie im Pfarrhaus gewohnt. Beide trugen einige heitere Erinnerungen aus der genau 50 Jahre zurückliegenden 800-Jahrfeier der St. Vitus Kirche vor, als die Kirchenangehörigen noch Barette zu den Gottesdiensten trugen.
Dankend nahm Pastorin Sabine Ahlbrecht einige finanzielle Zuwendungen entgegen, die von den Bürgermeistern und der örtlichen Kulturgemeinschaft zum Jubiläum überreicht wurden und vor allem einem besonderen Zweck dienen: der Restaurierung der etwas in die Jahre gekommenen Kirchenorgel. Dafür sind rund 40.000 Euro notwendig – für eine kleine Gemeinde wie Hemmendorf eine hohe Summe.
Hartmut Georgi aus dem Kirchenvorstand zeigte sich dennoch zuversichtlich: "Das ist schon eine besondere Gemeinde hier", betonte er, während er die ersten vollen Geschirrkisten am Buffet abräumte. Er erzählte, wie mit innovativen Ideen und Weitsicht in Hemmendorf schon immer versucht wurde, trotz der kleinen Zahl von nur knapp 475 Gemeindemitgliedern, das Beste aus dem Wenigen zu machen. So habe man vor rund 16 Jahren eine Stiftung ins Leben gerufen, aus der heute im evangelischen Gemeindeverband Saaletal unter anderem Seelsorge, Diakonie, Jugend- und Altenbetreuung oder auch die Kirchenchöre unterstützt werden.
"850 Jahre, das ist kein Kindergeburtstag mehr, sondern der Geburtstag einer altehrwürdigen Dame", sagte Christian Castel, Superintendent des Kirchenkreises Hildesheimer Land-Alfeld, in seinem Grußwort und wünschte der Gemeinde zum Jubiläum alles Gute. Der Festgottesdienst habe ihm sehr gut gefallen: „Ich war überrascht von der musikalischen Fülle und auch über die sehr gute Qualität der Chöre und Instrumentalmusik."
Text und Bilder: Florian Aue
v.l.n.r.: Pastor Tetje Linmer, Landesbischof Ralf Meister, Sabine Ahlbrecht (und Tochter Lea), Kristian Superintendent Christian Castel, Pastor Thomas Müller, Pfarrer Dr. Christian Wirz, Diakonin Andrea Gärtner.
Landesbischof Ralf Meister sprach den Segen am Ende des Pfingstgottesdienstes in der St.-Vitus-Kirche in Hemmendorf.
Superintendent Christian Castel richtet sein Grußwort an die Gemeinde.
Landesbischof Ralf Meister, Pastorin Sabine Ahlbrecht und der Kirchenvorstand verabschiedeten gemeinsam die Gottesdienstbesucher.
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Steine der Erinnerung
18 neue Stolpersteine erinnern in Salzhemmendorf und Hemmendorf an die Verbrechen des Nazi-Regimes.
Salzhemmendorf/Hemmendorf. Das Wetter ist nicht offiziell eingeladen zur Verlegung der Stolpersteine in Salzhemmendorf und Hemmendorf, aber es passt mit seiner sanften Frühlingsluft zur Stimmung, die am Dienstag durch die Straßen der Gemeinde weht. 18 Stolpersteine sollen heute verlegt werden. Sie zeigen Orte, an denen jüdische Familien gewohnt, gearbeitet und gelacht haben. Sie sind ein Mahnmal gegen das Vergessen, eine Erinnerung an die Gräueltaten, die im Nationalsozialismus alltäglich waren.
In der Kampstraße in Salzhemmendorf versammeln sich etwa 100 Menschen um vier auf dem Boden liegende Steine. Die Steine sind 96 mm breit und 96 mm lang. Die Oberfläche ist golden. Auf einer steht geschrieben: „Hier wohnte Erich Davidsohn, geb. 1922, Schutzhaft 1938, Buchenwald, Flucht 1939, England“. Es sind simple Fakten, vom Künstler Gunter Demnig ins Metall eingraviert, in denen die ganze Last eines unfassbaren Verbrechens liegt.
Heute erinnern daran nicht nur die Steine vor der Hausnummer 9, Wohnhaus der Davidsohns und ehemalige Synagoge von Salzhemmendorf, sondern auch die Nachfahren, die aus England und München angereist sind. Melvin Davidson, der Sohn von Erich Davidsohn, ist bei seiner Dankesrede gefasst und angespannt. Er bedankt sich für das freiwillige Engagement der vielen Helfenden und Spendenden. Er und seine beiden Schwestern hätten sich gefühlt, als würden sie in die Vergangenheit zurückversetzt werden, als sie das Haus betreten hätten.
Begleitet wird die Verlegung von 30 KonfirmandInnnen, die über die Schicksale der jüdischen Familien informieren. Die Idee zur Verlegung der Stolpersteine hatte Diakonin Andrea Gärtner. Seit zehn Jahren fährt sie mit KonfirmandInnen regelmäßig zur Gedenkstätte Bergen-Belsen. „Die Verlegung der Steine war der nächst logische Schritt“, erklärt sie, „es gab einen unglaublichen Rückhalt in der Bevölkerung und viele Spendengelder“. Denn Erinnerung ist teuer. Die Verlegung eines Steins kostet 120 Euro. Doch das Geld war schnell eingesammelt.
In ihrer Ansprache erinnert Gärtner daran, wie wichtig es ist, über die Verbrechen der Nationalsozialisten Bescheid zu wissen: „Nur wer etwas weiß über die Willkür und Grausamkeit kann mitfühlen.“ Und sie geht noch einen Schritt weiter, denn es sei auch wichtig, dieses Wissen weiterzugeben, um aktiv an der Verhinderung ähnlicher Verbrechen mitzuarbeiten. „Es ist an uns, die Mitmenschlichkeit zu erhalten“, so Gärtner.
Dann geht es von der Kampstraße zur Hauptstraße 2. Das Rathaus. Früher ein großes jüdisches Warenhaus. Hier werden Steine für Moritz und Gertrud Heilbronn verlegt. Zwölf weitere werden in Hemmendorf verlegt, alle in der Alten Heerstraße. Dass die Steine heute verlegt werden können, ist neben der Initiative von Gunter Demnig auch den umfangreichen Recherchen des Hamelner Historikers Bernhard Gelderblom zu verdanken. Ein ganzes Buch hat er geschrieben über „Die Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“. Ihn bestürze, wie ein über Jahrhunderte friedliches Zusammenleben der Religionen „auf schändliche Weise“ zerstört wurde. Die Erinnerung daran müsse am Leben erhalten werden, „denn das kann wieder passieren“.
Melvyn Davidson und seine Schwestern sind extra aus England zur Verlegung angereist.
„Hier wohnte Erich Davidsohn“. Die Steine werden verlegt, um die Erinnerung an jüdische Geschichte und Vergangenheit wach zu halten.
Das Interesse der Bevölkerung ist groß. Etwa 100 Menschen begleiten die Verlegungen in Salzhemmendorf und Hemmendorf.
Der Künstler und Initiator des Stolpersteine-Projekts, Gunter Demnig, setzt die vier Steine in der Kampstraße in den Boden.
Text und Bilder: Christoph Möller
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Familie Davidsohn
In der heutigen Kampstraße 9 in Salzhemmendorf wohnte die Familie Davidsohn und wir haben Stolpersteine für Robert Davidsohn, seine Frau Elfriede, ihren gemeinsamen Sohn Erich und dessen Cousine Juliane Guttmann, die mit im Haushalt lebte, verlegt.
Seit 1875 lebte die Familie Davidsohn in diesem Haus, in dem früher auch die Synagoge war. Schon die Eltern von Robert lebten und arbeiteten hier. Robert war einer von fünf Söhnen. Seine Brüder hießen Max, Siegfried, Friedrich und Wilhelm. Alle Söhne dienten im Ersten Weltkrieg als Soldaten, zwei von ihnen fielen.
Robert, der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurde, blieb als einziger der Söhne in Salzhemmendorf und übernahm die Schlachterei und den Viehhandel seines Vaters.
1921 heiratete er Elfriede, 1922 wurde ihr Sohn Erich geboren. Seit 1927 lebte außerdem eine Tochter von Elfriedes Schwester, Juliane Guttmann mit im Haushalt.
Diskriminierung und Boykotte ließen die Familie Davidsohn bereits 1935 beginnen, ihre Auswanderung zu planen. 1938 wurde Robert Davidsohns Geschäft von den NS-Behörden endgültig geschlossen.
In der Pogromnacht 1938 wurden die Fenster des Synagogenraums eingeworfen und die Inneneinrichtung zertrümmert. Am darauffolgenden Tag wurden Robert und Erich erst ins Gefängnis nach Hameln und von dort ins Konzentrationslager Buchenwald verschleppt.
Elfriede wurde während ihrer Abwesenheit gezwungen, das Haus hier in der Kampstraße zu verkaufen. Sie floh mit Juliane zu einer Schwester nach Hannover.
Erich durfte nach knapp vier Wochen das Lager Buchenwald verlassen, sein Vater folgte etwa eine Woche später. Von Hannover aus bemühte sich die Familie verstärkt um die Auswanderung.
Um ihr Überleben zu sichern, musste die Familie sich allerdings trennen.
Erich durfte im Februar 1939, kurz vor seinem 17. Geburtstag, mit einem Kindertransport das Land in Richtung England verlassen.
Robert, Elfriede und Juliane konnten im Juni dann auch endlich das Land verlassen. Sie fuhren per Schiff nach Argentinien.
Robert Davidsohn starb 1964 ohne seinen Sohn noch einmal getroffen zu haben.
Erich blieb in England, heiratete und bekam drei Kinder. Er starb am 17. April 1998.
Familie Heilbronn
In der heutigen Haupstraße 2 in Salzhemmendorf lebte die Familie Heilbronn. Wir haben Stolpersteine für Moritz Heilbronn und seine Frau Gertrud verlegt. Die Familie Heilbronn kam ursprünglich aus Wallensen. Moritz Heilbronn war 23 Jahre alt, als er hier nach Salzhemmendorf zog und dieses Wohn- und Geschäftshaus baute.
Moritz und Gertrud heirateten 1932.
Das Geschäft der Heilbronns galt den Bürgern in Salzhemmendorf als „fein“ und beschäftigte mehrere Angestellte. Nach 1933 verbot das NS-Regime jüdischen Geschäftsleuten die Anstellung nicht jüdischer Angestellter. Im März 1933 musste Moritz Heilbronn darum einen jüdischen Geschäftsführer einstellen.
Ab 1935 wurde das Geschäft boykottiert. Moritz Heilbronn fuhr daraufhin mit dem Auto über Land, um mit dortigen Verkäufen die Umsatzeinbußen zu kompensieren.
Im Oktober 1935 starb Moritz Heilbronn. Herztod hieß die Diagnose. Viele meinten, er habe die Sorgen und Nöte durch die Verfolgung der damaligen Regierung nicht überstanden.
Seine Witwe Gertrud versuchte mithilfe des jüdischen Geschäftsführers das Geschäft nach dem Tod ihres Mannes weiter zu führen. Es wurde jedoch am 1. Juni 1936 offiziell geschlossen.
Gertrud Heilbronn zog nach Clausthal-Zellerfeld. Ihr Haus wurde zwangsversteigert.
In Clausthal-Zellerfeld führte sie das Geschäft ihrer Mutter weiter und musste dort erleben, wie am 9. November 1938 Nationalsozialisten Ladeneinrichtung, Schaufenster und Schaukästen zerstörten.
1941 gelang ihr schließlich die Ausreise zuerst nach Lissabon und von dort schließlich nach New York.
1942 wurde ihre Mutter ins Warschauer Ghetto deportiert – das blieb ihr selbst zum Glück erspart.
Familie Plaut
In der heutigen Alte Heerstraße 49 in Hemmendorf wohnte Familie Plaut. Wir haben Stolpersteine für Karoline Plaut und ihre Tochter Klara verlegt.
Die Familie Plaut lebte seit 1889 in Hemmendorf. Adolf Plaut und seine Frau Karoline hatten zwei Töchter: Klara und Frieda.
Nach Adolfs Tod im Jahr 1925 führten seine Frau und die unverheiratete Tochter Klara das kleine Textilgeschäft weiter.
Frieda lebte mit ihrem Mann in Barsinghausen und starb bereits 1926.
In der Pogromnacht des 9. November 1938 wurde das Geschäft der Familie Plaut Ziel von Anschlägen. Nach der Pogromnacht drängten die Behörden mehr denn je auf Auswanderung. Juden durften keine Läden mehr führen und mussten Haus- und Grundbesitz verkaufen.
Seit Oktober 1941 rollten Deportationszüge aus dem deutschen Reich in den eroberten Osten.
Karoline Plaut starb am 25. Januar 1942 im Alter von 83 Jahren eines natürlichen Todes und entging so der Deportation.
Ihre Tochter Klara wurde am 28. März 1942 abgeholt. Ein Lastwagen brachte sie und andere Juden zuerst nach Hameln und dann ins Sammellager der Gestapo nach Hannover. Am 31. März schließlich brachte sie ein Zug in das völlig überfüllte Warschauer Ghetto. Wer dort die ersten Monate überlebte, wurde seit Sommer 1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert.
Familie Catzenstein
In der heutigen Alte Heerstraße 17 in Hemmendorf wohnte die Familie Catzenstein.Wir haben Steine für Emilie Catzenstein und ihre Töchter Aenny, Margarete und Elsa verlegt.
Die Familie Catzenstein lebte seit 1867 in Hemmendorf, dieses Haus war 65 Jahre in ihrem Besitz.
Emilie Catzenstein war mit Max Catzenstein, einem Textilhändler, verheiratet und hatte vier Kinder: Arthur, Elsa, Margarete, Aenny.
Nach dem Tod ihres Mannes verpachtete Emilie den Laden und musste das Haus schließlich 1938 unter dem Druck der Nationalsozialisten verkaufen.
Arthur Catzenstein, der 1926 geheiratet hatte, war bereits 1933 mit seiner Frau nach Belgien ausgewandert. Er lebte in Brüssel und arbeitete als Textilkaufmann.
Elsa war eine der Töchter, die sich viel um ihre Mutter in Hemmendorf kümmerte. Sie heiratete einen Waldemar Franz Nonne und bekam einen Sohn namens Michael, der noch die erste und zweite Klasse der Schule in Hemmendorf besuchte. 1933 zog die Familie schließlich nach Frankfurt, Elsas Besuche bei der Mutter wurden seltener.
Margarete zog bereits 1931 nach Berlin und später zu ihrer Schwester Elsa nach Frankfurt.
Aenny, die jüngste, war gelernte Röntgenassistentin, durfte jedoch ab 1936 ihren Beruf nicht mehr ausüben. Auf der Suche nach einem festen Arbeitsplatz lebte sie an rasch wechselnden Orten, ehe sie 1939 Deutschland verließ und ebenfalls nach Brüssel ging.
Emilie gelang ebenfalls die Flucht nach Belgien zu ihrem Sohn Arthur. Emilie, Arthur und Aenny überlebten den Krieg. Emilie starb 1941 im Alter von 80 Jahren eines natürlichen Todes. Arthur und Aenny blieben bis zu ihrem Tod mit ihren jeweiligen Familien in Belgien.
Am 18. März 1942 – unmittelbar vor dem Termin ihrer Deportation – nahm sich Margarete das Leben.
Elsa nahm sich im Mai 1944 das Leben. Es ist wahrscheinlich, dass auch sie damit einer bevorstehenden Deportation entgehen wollte.
Familie Zeckendorf
In der heutigen Alte Heerstraße 8 in Hemmendorf lebte die Familie Zeckendorf. Wir haben Steine für Karl Zeckendorf, seine Frau Frieda und ihre gemeinsame Tochter Hannelore, sowie für Karls Schwestern Margarete, Thekla und Selma verlegt.
Die Familie Zeckendorf lebte über fünf Generationen in Hemmendorf. Schon Karls Eltern Abraham und Laura Zeckendorf betrieben im Ort ein Geschäft mit Textil- und Kolonialwaren. Das fünfte ihrer Kinder, der jüngste Sohn Julius, starb bereits 1916 an Kriegsverletzungen in einem Lazarett.
Karl übernahm das Geschäft der Eltern, heiratete Frieda und 1925 wurde ihre Tochter Hannelore geboren.
Auch die unverheirateten Schwestern Margarete und Thekla lebten mit in diesem Haus.
Selma heiratete Max Grüneberg, den Bruder ihrer Schwägerin Frieda, und lebte mit ihm in Köln.
In der Pogromnacht wurde auch das Geschäft der Familie Zeckendorf Ziel von Anschlägen. Fensterscheiben wurden eingeworfen, Stoffballen sollen auf die Straße geflogen sein.
Bald darauf wurde Karl Zeckendorf festgenommen, in das Amtsgericht Hameln eingeliefert und am nächsten Tag in das Konzentrationslager Buchenwald geschafft. Nur elf Tage nach seiner Einlieferung starb Karl Zeckendorf am 21. November 1938 im KZ Buchenwald.
Das Mädchen Hannelore hatte unter dem NS-Regime viel zu leiden. Nachdem sie auch von anderen Kindern und Bürgern in Hemmendorf drangsaliert worden war, schickte ihre Mutter sie zur Tante Selma nach Köln, in der Hoffnung, dass sie dort zur Schule gehen könne, ohne von Mitschülern beschimpft zu werden.
Frieda Zeckendorf musste ihr Haus 1939 verkaufen. Im April 1941 zog sie schließlich nach Göttingen, wohin dann auch Hannelore kam. Sie wurden dort im „Judenhaus“ untergebracht.
In Hemmendorf zurück geblieben waren Margarete und Thekla Zeckendorf. Beide wurden am 28. März 1942 deportiert und kamen mit dem Transport, zu dem auch Klara Plaut gehörte, über Hameln und Hannover nach Warschau ins Ghetto.
Nach ihrem Abtransport wurde ihr Hausrat in Hemmendorf öffentlich versteigert.
Frieda Zeckendorf und ihre Tochter Hannelore wurden 1942 auch aus Göttingen deportiert – mit demselben Transport wie die Hemmendorfer Juden. Sie dürften sich im Sammellager in Hannover oder spätestens im Warschauer Ghetto wiedergetroffen haben.
Selma Zeckendorf, verheiratete Grüneberg wurde bereits im Oktober 1941 aus Köln in das Ghetto Lodz deportiert. Ihr Tod ist für den 4. Mai 1942 bezeugt.
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„Die Landeskirche ist durch Gottes Wort und Verheißung mit dem jüdischen Volk verbunden. Sie achtet seine bleibende Erwählung zum Volk und Zeugen Gottes. Im Wissen um die Schuld unserer Kirche gegenüber Juden und Judentum sucht die Landeskirche nach Versöhnung. Sie fördert die Begegnung mit Juden und Judentum.“ So heißt es in Artikel 4 unserer Kirchenverfassung.
Nicht erst seit dieser Verpflichtung gibt es im ev.-luth. Gemeindeverband Saaletal im Rahmen des Konfirmandenunterrichts regelmäßig ein Projekt, das sich mit dem jüdischen Leben hier vor Ort beschäftigt. Uns ist daran gelegen, gedenkend an die Vergangenheit zu erinnern. Nicht, um Schuld zuzuweisen, sondern um sensibel zu machen für jede Form von Ausgrenzung heute, und um die Erinnerung wach zu halten.
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.“ Mit diesem Zitat begründet der Künstler Gunter Demnig sein Projekt „Stolpersteine“.
Um uns mahnend und liebevoll an die Opfer vor Ort zu erinnern, wollen wir - der ev.-luth. Gemeindeverband Saaletal mit Unterstützung des Fleckens Salzhemmendorf – gemeinsam mit Gunter Demnig auch in unseren Orten "Stolpersteine" verlegen.
Wozu steht dieser Rahmen vor dem Altar in der St. Margarethen Kirche in Salzhemmendorf und wozu ist die Kerze??? Was hat das eigentlich mit der Geschichte von “Daniel in der Löwengrube” zu tun?
Beim letzten Mini-Gottesdienst in der Kirche konnten diese Fragen geklärt werden.
Sei doch auch Du beim nächsten Mal (am 24.12. um 15.30 Uhr) mit dabei!
Das Team des Mini-Gottesdienstes würde sich freuen!
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Chaos, Spaß und Hitze









Es gibt null Akzeptanz für derartige Anschläge, null Akzeptanz für rassistischen Terror, null Akzeptanz für Diskriminierung und Entwürdigung von Menschen.
Es ist beschämend, dass ein Ort wie Salzhemmendorf, in dem die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge groß ist, nun so in die Schlagzeilen gerät. Ich ermutige die Bewohner von Salzhemmendorf, sich nicht beirren zu lassen in ihrem Engagement.
Als Christinnen und Christen haben wir Sorge zu tragen, dass Menschen, die hilflos sind und Zuflucht suchen, unbeschadet beherbergt werden und eine Zukunft haben.
Gleichzeitig brauchen wir ein wachsames Ohr für die Ängste, die mit der Herausforderung verbunden sind, die unsere Gesellschaft zurzeit fast zerreißt. Betroffenheit und Empörung allein fangen die Verunsicherung, die emotionale Überforderung und den politischen Irrtum nicht auf. Dafür müssen wir Sprache und Wege finden, die sich nicht in Wut, gegenseitiger Diskriminierung, Terror und tätlichen Angriffen auf hilflose Menschen äußern.
Guter Gott erschrocken, betroffen, ratlos stehen wir vor einem mörderischen Anschlag
auf Menschenleben in unserer Mitte,
vor dem was Menschen im Wahn bereit sind einander anzutun.
Wir rufen Dich an und bitten Dich - Herr erbarme Dich!
Wir bitten Dich für die,
die persönlich von dieser mörderischen Tat betroffen sind - Herr erbarme Dich!
Jeden Tag bist du mit den Flüchtlingen in unserer Mitte auf dem Weg gewesen, guter Gott,
die in unserem Land eine erste beengte Unterkunft gefunden haben,so auch bei uns in Salzhemmendorf.
Und jetzt müssen sie auch hier Bedrohung erfahren, um ihr Leben fürchten. - Herr erbarme Dich!
Erhalte ihnen dennoch die Hoffnung auf eine sichere Zuflucht.
Lass sie erfahren, dass viele sie willkommen heißen mit freundlichen,
verstehenden Blicken und wohltuenden Taten. - Herr erbarme Dich!
Wir bitten dich für unsere Landsleute, die hasserfüllten Verführern nachlaufen:
löse ihre Herzen aus dem Bann der Enttäuschung,
damit sie keine Feindbilder brauchen um das Leben zu bestehen. - Herr erbarme Dich!
Wir bitten Dich auch für die, die in ihrem Wahn unsägliches Sagen und Tun.
Wehre Ihnen, lass Sie erkennen, dass sie dabei sind, zu Unmenschen zu werden
und hilf ihnen, umzukehren. - Herr erbarme dich!
Wir bitten für die Menschen, die vielerorts in kürzester Zeit die Errichtung
von Unterkünften für Flüchtlingen gewährleisten müssen:
Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung, Freiwillige von Hilfsbündnissen,
Bürgerinitiativen und auch Menschen unserer Kirche und ihrer Diakonie.
Für sie alle bitten wir dich, stärke ihren Verstand und ihre Herzen,
damit sie den Spannungen standzuhalten vermögen, denen sie ausgesetzt sind,
zwischen den Erwartungen der Schutzbefohlenen, unverhohlener Fremdenfeindlichkeit mancherorts
und vielen tatsächlichen Engpässen ohne einfachen Ausweg. - Herr erbarme dich!
Hilf uns den Platz zu sehen, an dem wir selbst gebraucht werden.
Schärfe unseren Blick für die Warnzeichen, damit wir nichts verharmlosen,
Hass und Ablehnung entgegen treten in Wort und Tat, im Vertrauen auf Jesus,
dessen Leben als Kind einer Flüchtlingsfamilie begann,
im Vertrauen auf Dein Geleit, deine Kraft. - Herr erbarme dich!
In einem "Wort an die Gemeinden" hat Landesbischof Ralf Meister den vielen ehren- und hauptamtlichen Helferinnen und Helfern in den Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen gedankt und sie ermutigt, sich weiter für Flüchtlinge einzusetzen und das öffentliche Bild durch christliches Handeln zu prägen.
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